zuhanden der dritten Mitgliederversammlung vom 24. Februar 2012
Erstes Jahr – Jahr des Aufbruchs, zweites Jahr – Jahr der Bestätigung und der Bemühungen, unserem immer noch jugendlichen und ungestümen Bläss ein paar Flausen auszutreiben, und nun das vergangene dritte Jahr?
Folgerichtig wäre vielleicht, dieses als Jahr der Konsolidierung, der Fahrt in ruhigere Gewässer, oder sogar als endgültige Etablierung am St. Galler, oder zumindest Toggenburger Kulturhimmel zu bezeichnen.
Wahrscheinlich steckt unser Windbläss immer noch zu sehr in den Kinderschuhen, beziehungsweise, bewegt sich auf tapsigen – aber durchaus originellen – Pfoten, als dass ich die erwähnte Folgerichtigkeit guten Gewissens unterschreiben könnte. Zwar hat sich vieles im Windbläss-Vorstand eingespielt, regelmässige Aufgaben finden ihre ebenso regelmässigen wie meist zuverlässigen AdressatInnen und die oft wild überschäumende Windbläss- Kreativabteilung hat mit der Mitarbeit unseres neuen Vorstandsmitgliedes Rosmarie Giezendanner (ihres Zeichens selbst begeisterte Hausorgelbesitzerin und –spielerin) den ach so notwendigen ordnend-akribischen Gegenakzent erhalten. So hoffen wir, mit ihrer Hilfe und mitdenkenden Aufmerksamkeit, insbesondere den Administrativbereich, auf professionelle Pfade lenken zu können! Meine Ausführungen lassen es erahnen: ruhige Windbläss-Gewässer sind noch nicht erreicht – und fast möchte ich hoffen, dass diese noch lange nicht erreicht sein mögen!
Doch nun der Reihe nach: Abschluss des zweiten und zugleich Beginn des dritten Vereinsjahres bildete die zweite Mitgliederversammlung vom 25. Februar auf dem Nesslauer Bühl. Nach der speditiven Abwicklung einer üblichen Traktandenliste folgte der musikalisch-sinnliche Teil der Veranstaltung unter dem Titel ... wenn de Bläss mit de Hase uf em Wase! Darunter hat man sich das abwechslungsweise Musizieren des Vokalensembles „Wase Musig“ und des Windbläss-Hausensembles „Windiger Bläss“ vorzustellen. Noch blieb es beim gegenseitigen Beschnuppern der beiden Musikgruppen – ganz im Gegensatz zu gewissen Liedinhalten aus dem Liederbüchlein der Maria Josepha Barbara Brogerin (1730), in denen mehr oder weniger unverblümt von kopulierenden Hasen auf dem Wasen und dergleichen die Rede ist ... Ein (meist) fixer Programmpunkt der Windblässveranstaltungen bildet die Rubrik „100 Sekunden (Haus-)Orgelwissen“, so auch dieses Mal, in dem Res Reber allerlei Anekdotisches – u.a. von sich in Orgeln vergnügenden Holzwürmern – zwischen Wase und Bläss streute.
Der Umstand des KlangWelt-Orgelumzuges von der Propstei Alt St. Johann in die neu eröffnete Klangschmiede brachte es mit sich, dass man der altehrwürdigen Joseph-Looser-Orgel von 1812 den Umweg über Zürich zugestand, wo sie sich im Haus Appenzell an prominentester Lage während zweier Wochen keck dem noblen Stadtpublikum präsentierte. Auf Initiative von Peter Roth erhielt Windbläss am 17. März die verdankenswerte Gelegenheit, sich mit Musik und Wort vorzustellen – dies unter dem Titel Die Toggenburger Hausorgel – wie sie klingt, warum sie kam.
Nur gerade eine gute Woche später, am 25. März, fand am selben Ort die Buchvernissage von Jost Kirchgrabers neustem Werk Kunst der Möbelmalerei – Ein ungeschriebenes Kapitel zur Schweizer Kunstgeschichte statt. Den beiden Blässen Wolfgang Sieber an der Orgel und Markus Meier mit diversem Blaswerkzeug fiel die Ehre zu, diese Buchvorstellung musikalisch passend zu illustrieren.
Hahn, Berg und edler Stil – Wind, Bläss und Orgelspiel – Windbläss fand Gefallen am Verlassen seines Tales. So auch am 13. August, einem wundervollen Spätsommertag auf den beiden Schlössern Kleiner und Grosser Hahnberg, unterhalb von Berg SG gelegen, inmitten von ebenso wundervollen Parkanlagen und bewohnt von den orgelbegeisterten Schlossherrren Robert Bamert und Dölf Röösli. Die beiden Schlösschen – einstige Sommersitze der Herren Zollikofer aus St. Gallen – beherbergen auch einige historische Tasteninstrumente, darunter zwei Looser-Orgeln aus dem Toggenburg! Der passionierte Orgelspieler Robert Bamert liess es sich nicht nehmen, seine Instrumente gleich selber vorzustellen und zum Klingen zu bringen. Im wunderbaren Gartensaal (mit Stukkaturen von Moosbrugger) des Grossen Hahnbergs griff Heidi Bollhalder musikalisch vielseitig in die Tasten und im Schlosspark sorgte „Windiger Bläss“ (Markus Meier und Res Reber mit Urs Grob am Hackbrett) für Serenaden-Stimmung. Ein sämtliche Sinne betörender Anlass, für den wir uns bei den beiden grosszügigen Gastgebern sehr herzlich bedanken!
Obertoggenburger Orgelzauber – mit dieser Verheissung lockte Wolfgang Sieber am 16. September den Verein der Orgelfreunde der Luzerner Hofkirche ins Windbläss-Tal, wo der Webstuben-Orgel auf dem Nesslauer Bühl und den beiden Orgeln der Klosterkirche Neu St. Johann die Aufwartung gemacht wurde. Der Hoforganist zusammen mit dem Schreibenden sorgten für die musikalische Vorstellung dieser Orgellandschaft, die kunsthistorischen Hintergründe schob Jost Kirchgraber nach – dies in einem lebendig-musikalisch-historisch-kuturellen und – nicht zuletzt – unterhaltsamen Mix, von dem sich die Luzerner offensichtlich ein wenig verzaubern liessen!
Mozartlocke und Concerto barocco – am 11. November die letzte Veranstaltung des zur Neige gehenden Jahres, und fast möchte man auf Grund der Ankündigung annehmen – die konventionellste! Was liegt denn näher, als auf einer Orgel, die aus der Zeit Vivaldis, Händels, Sammartinis oder Mozarts stammt, auch deren Werke aufzuführen? Spätestens beim Versuch zur Beantwortung dieser Frage zeigt sich – bei allem Respekt und der Liebe zum Toggenburger Hausorgelbau – dass die Loosers zwar liebenswürdige Instrumente schufen, dem instrumentenbautechnischen Vergleich in dieser Zeit aber niemals standhalten konnten – mussten sie auch nicht, denn zur behäbigen Intonierung von pietistischen Chorälen und klapprigem Hausorgelgetänze genügten Mechanik und Tastenumfang vollkommen! So betrachtet hat es etwas durchaus Gewagtes, sich mit Händel und Mozart an eine Toggenburger Hausorgel zu wagen, etwa so, wie wenn man sich heute mit einem VW-Käfer auf ein Autorennen einliesse! Um den Ausgang des Experiments vorweg zu nehmen: Wolfgang Siebers Könnerschaft und Professionalität machte die vermeintliche „Unzulänglichkeit“ des Instrumentes vom ersten Takt an vergessen, sowohl in solistischer Funktion, als auch im Begleiten der zwei Blockflöten-Konzerte von Vivaldi und Sammartini. Wesentlichen Anteil am Gelingen dieses Abends hatte auch das ad hoc zusammengestellte begleitende Quintett, bestehend aus Streicherinnen des Toggenburger Jugendorchesters „il mosaico“.
Soweit der künstlerische Rückblick auf ein insgesamt sehr erfreuliches drittes Windblässjahr. Einige Flausen konnten dem jugendlichen, übermütigen Blässlein mittlerweile ausgetrieben werden. So bietet unsere schön gestaltete, sich in ständiger Weiterentwicklung befindende Website www.windblaess.org eine Fülle von Informationen und soll sukzessive auch zu einem Online-Archiv mit Daten zu Toggenburger Hausorgeln (Instrumente, Standorte, Besitzverhältnisse, Handänderungen, Dispositionen, Angaben zur Bemalung, etc.) ausgebaut werden – eine Art elektronische Weiterführung des bewährten Wachter- Verzeichnisses. Weiter sind auf dieser Plattform – neben anderen – auch die Texte der 100-Sekunden-Orgelwissen zu finden, Links zu Partner-Organisationen und vieles mehr. Die administrativen Abläufe haben sich im letzten Jahr zusehends stabilisiert und automatisiert, nicht zuletzt dank der eingangs erwähnten Vorstandserweiterung in der Person von Rosmarie Giezendanner. Den Dank an meine Vorstandskolleginnen und –kollegen möchte ich ergänzen mit dem Dank an unsere Mitglieder und unser Publikum, die mit ihrem Interesse die Arbeit von Windbläss entscheidend motivieren und uns zu neuen – und so hoffen wir – originellen Taten anspornen!
Ganz besonders gespannt sind wir diesbezüglich auf die Neuaufgleisung des Ebnat-Kappler Ackerhuses und die Art und Weise, wie wir uns dort allenfalls mit Windbläss einbringen können. Dass dieses Museum mit der grössten und vielfältigsten Ansammlung von Toggenburger Hausorgeln für uns von höchstem Interesse ist, braucht kaum speziell erwähnt zu werden!
Ein grosser Dank geht an die Organisationen, die uns im letzten Jahr ideell, vor allem aber auch finanziell unterstützt haben. Es sind dies die Accordeos-Stiftung, die Stiftung Sparkasse Küsnacht in Liquidation, Migros Kulturprozent – und nicht zu vergessen unsere Veranstaltungsbesucherinnen und –besucher, die mit einer durchschnittlichen Kollekte pro Anlass von ca. CHF 800.- ebenfalls einen wichtigen Beitrag leisten. Nicht unerheblich fürs finanzielle Überleben ist auch die Tatsache, dass sämtliche Leistungen der Windbläss-Vorstandsmitglieder – seien es künstlerische aber auch organisatorisch-administrative – nicht honoriert werden.
Ich freue mich auf das vierte Vereinsjahr und hoffe, dass der Bläss weiterhin frisch durchs Toggenburg – und zum Tal hinaus – bellt!
Winterthur, 22. Februar 2012 / Markus Meier, Präsident Windbläss